Heimatverein Weilmünster - Teil 2

  • Es war einmal in Weilmünster

    Geschichten aus der Heimatstube

    Am 28.08.1601 erhielt der Flecken an der Weil von Kai­ser Rudolf II. die Marktrechte verliehen. Die geschicht­lichen Daten, Handlungen und Geschehnisse der Ver­gangenheit und zahlreiche Relikte aus diesen Zeiten verdienen eine ansprechende Würdigung.

    Der Heimat­verein Weilmünster bemüht sich schon seit vielen Jahren Vergessenes sichtbar zu machen. Seit 1998 steht nunmehr eine geeignete Räumlichkeit im liebevoll restaurierten Fachwerkgebäude „Am Bleidenbach 29" in Weilmünster zur Verfügung.

    Über die oben stehenden Titel können Sie verschiedene Geschichten des Heimatvereins nachlesen:

    • Gauturnfest 1912
    • Schwimm- und Volksbad Weilmünster
    • Die Post im Weiltal, Teil 1 bis 2

    Weitere Berichte aus der Geschichte des Marktfleckens finden Sie im >> 1. Teil << und im >> 3. Teil <<

    Öffnungszeiten der Heimatstube: nach Vereinbarung

    Mehr Informationen entnehmen Sie der Webseite des Heimatvereins Weilmünster

    Heimatverein Weilmünster
    Kontakt Heribert Domes, Telefon 06472 / 1607
    Heimatstube
    Am Bleidenbach 29 – Weilmünster

    heimatverein weilmuenster logo

  • Der Heimatverein Weilmünster erinnert

    Das erste Gau-Turnfest in Weilmünster, 13. – 15. Juli 1912

    Von Rudi Czech† - Redigiert von Heribert Domes 2021

    „Gieht mer fort, ihr dumme Buwe,
    was soll denn des, dej Hipperei!
    Habt ihr weiter naut zu schaffe,
    wej die schleechte Turnerei“

    So oder ähnlich dürften die Wiegenlieder geklungen haben, als eine Handvoll junger Weilmünsterer Bürger voller Begeisterung anfingen Sport zu treiben, es den anderen nachzumachen, die sich schon längst überall im Lande zu Turn und Sportvereinen zusammengefunden hatten.

    Inspiriert und begeistert von mehreren Übungsstunden im Turnverein Katzenellenbogen traf der Färber Otto Schäfer, nach seiner Rückkehr in den Marktflecken Weilmünster, den Kaufmann Richard Loew, der in Frankfurt die Gemeinschaft und die Freude am Turnen nachhaltig erlebte. Beiden gelang es Freunde und Altersgenossen für ihre und die Ideen Jahns zu begeistern. Aus dieser Euphorie heraus gründeten sie im Jahre 1903, zusammen mit den weiteren turnbegeisterten Weilmünsterer Bürger, Schreiner Heinrich Bonnkirch, Schlosser Karl Fey, Wegewärter Heinrich Hardt, Landwirt Friedrich Kunkler, Weißbinder August Nehl und Amtmann i.R. Erhard Ströter den Turnverein 1903 Weilmünster.

    Die zu Anfang noch recht dürftigen turnerischen Leistungen ernteten den Spott und das Gelächter der Bevölkerung, wenn sie unter den Kastanienbäumen auf dem damaligen Marktplatz, heute Rathausplatz, zwischen der Kirche und der alten Schule ihre ersten Übungen am Barren und Reck absolvierten. Dank der Beziehungen von Richard Loew, konnte der Kammer-Rat Jockel aus Braunfels als erster Turnlehrer und Übungsleiter für den jungen Verein gewonnen werden.

    Der Ausbildungsstand entwickelte sich erstaunlich schnell und es kamen weitere bisher Zögernde und Unentschlossene zur Turngemeinschaft hinzu. Bald verlegte man den Turnbetrieb auf den Bleichplatz in der Au, später in die Weilehecken, dem heutigen Schulhof der Grundschule. Mit viel Eifer und allen verfügbaren Kräften ebnete man das wüste und holprige Gelände ein und konnte dadurch einen brauchbaren Turnplatz schaffen. Ein Waagehäuschen, von der Gemeinde erworben und auf dem hergerichteten Gelände aufgestellt, diente als Geräteschuppen.

    Auf dem Gauturntag in Villmar am 17.02.1907 erfolgte die Aufnahme des Vereins in den Lahn-Dill- Gau und damit in die Deutsche Turnerschaft. Dadurch konnte das Ansehen in der Bürgerschaft wesentlich gehoben werden. Diese Wertschätzung führte bald zu einer gewaltigen Steigerung der turnerischen Leistungen. Der Ehrgeiz war erwacht und erste, teilweise hervorragende Ergebnisse konnten erzielt werden.
    Beim Gauturnfest in Herborn zeigte die Weilmünsterer Musterriege ihr schon beachtliches Können, dass in der Folgezeit unter Leitung des Turnwarts Friedrich Kunkler so ausgebaut werden konnte, dass beim Gauturnfest in Hachenburg im Jahre 1911 der 1. Sieg in der II. Klasse gelang.

    Am 19. Juni 1911 fand die Goetz-Wanderung des Lahn-Dill-Gaues in Weilmünster statt. Bei dieser Gelegenheit wurde zur Erinnerung an die 100ste Wiederkehr des Jahrestages der Eröffnung des 1. Deutschen Turnplatzes auf der Hasenheide in Berlin, auf der Südseite des Bielerberges die Jahneiche gepflanzt und ein Gedenkstein gesetzt, auf dem eine gusseiserne Gedenktafel befestigt war. Diese Tafel, die einen materiellen Wert hatte, ist in den 2010er Jahren entwendet worden. Der Elferrat des TUS 03 Weilmünster und der Heimatverein Weilmünster ersetzten gemeinsam 2020 die entwendete Gedenktafel durch eine neue Gedenkplakette.

    Gauoberturnwart Münch, ein ganz besonders eifriger Verfechter der Turnbewegung, hat schon vor dem Ersten Weltkrieg darauf hingewiesen, wie günstig gelegen der Bielerberg zur Abhaltung eines Bergfestes sei; eine Anregung, die nach dem 2. Weltkrieg in Weilmünster Verwirklichung fand.

     heimatverein gauturnfest grusskarte 1912

    Bild links:

    Grußkarte vom 29. Gauturnfest des Lahn Dill Gaues
    vom 13. – 15. Juli 1912 in Weilmünster

    Archiv Heimatverein Weilmünster

    Das äußerst erfolgreiche Abschneiden beim Gau-Turnfest in Hachenburg im Jahre 1911 beflügelte die Verantwortlichen in Weilmünsterer ein Gauturnfest auszurichten. Für den Marktflecken war das eine Riesensache. Zum 29. Gauturnfestes des Lahn-Dill-Gaues vom 13. – 15. Juli 1912 fanden etwa 900 Teilnehmer, 55 Musterriegen und einige hundert Zwölfkämpfer den Weg in unsere Marktgemeinde. Fast 700 Freiquartiere mit voller und freier Verpflegung der Teilnehmer, stellte die Weilmünsterer Bevölkerung für ihre Gäste zur Verfügung. Das Gauturnfest beinhaltete alle denkbaren Turn-Disziplinen. In dem damals neu errichteten Buchholz-Saal (heute Kinosaal des PASTORI) wurde das Geräteturnen abgehalten. Auf dem Gelände, auf dem sich heute die Weiltalschule befindet, war damals eine große Wiese, auf der bemerkenswerte Massenfreiübungen ausgeführt wurden. Später baute man auf dieser Wiese den Weilmünsterer Fußballplatz mit der Dreschhalle.

    Ein großartiges Erlebnis boten die Weilmünsterer Bürger ihren Gästen und sich selbst. Unter anderem gab es das Tauziehen. Diese Disziplin fand schon 1886 bei der ersten Olympiade in Athen statt. Eine Großzahl starker Männer aus allen Gegenden des Turngaus angereist, maßen in Mannschaftsform ihre Kräfte. Die Sieger bekamen einen Eichenlaubkranz auf das Haupt gesetzt. Eine weitere Herausforderung war es, allen Teilnehmern die Möglichkeit zu geben, einen Weg zu einer Toilette zu finden. In dem landwirtschaftlich geprägten Marktflecken gab es viele Puddelkauten und noch mehr Häuschen mit Herz. Über das absolute Gelingen dieser Disziplin wollen wir schweigen.

    Bild rechts:

    Die am Sonntag den 14. Juli 1912 im „Weil-Bote“ erschienenen Anzeige, die auf das vielseitige Belustigungsprogramm neben dem Gau-Turnfest hinwies.

    Archiv Heimatverein Weilmünster

    Nach Abschluss dieser gelungenen Turngau-Festspiele gab es einen riesigen Festzug durch den Flecken und besonders erwähnenswert ist, es durften sogar Frauen an dem Festzug unter der Bedingung teilnehmen, sie mussten Strümpfe tragen und ihre Turnhosen mussten unterhalb des Knies abgebunden sein, damit kein lüsterner Blick etwas höher geraten konnte. Das Rauchen, Tragen von Stöcken und Schirmen beim Festzug war strengstens verboten. Die Regimentskapelle des 116. Infanterie Regiments aus Gießen musizierte beim Kommers und wirkte beim Festzug mit. Die Festansprache hielt der Ehrenpräsident, der damalige Direktor der Heil und Pflegeanstalt Weilmünster, Herr Sanitätsrat Dr. Lantzius Begina. Er erwähnte unter anderem: „Hier sieht man das Beispiel, dass in einem gesunden Körper auch ein gesunder Geist lebt. Weiterhin lobte er den stattlichen und imposanten Festzug, wie Weilmünster vorher noch keinen gesehen hatte, der sich durch die Straßen wallte. Ja unsere Turnerschaft kann sich sehen und überall stolz und frei ihr Banner wehen lassen,” waren seine Worte.

    Das Turnfest war ein voller Erfolg! Weilmünster stellte eine 8 Mann starke Musterriege und eine Zöglingsriege, so nannte man damals die Jugendturner – mit 20 Teilnehmern, die sich wacker schlugen und auszeichnen konnten. Im Turner-Zwölfkampf erhielten den begehrten Eichenkranz die Turner: Adolf Weil, Anton Ickstadt, Hermann Eppstein, Friedrich Kunkler, Ernst Rippel, Alfred Wissig, Peter Kipp und August Nehl. Viele Dankeschreiben und Danksagungsannoncen im “Weil-Bote”, der Weilmünsterer Tageszeitung, sorgten noch lange für Gesprächsstoff und ein zufriedenes Erinnern.

     heimatverein gauturnfest anzeige anzeiger 1912
  • Das Schwimm- und Volksbad Weilmünster

    Eine Perle in der Geschichte des Verkehrs- und Verschönerungsvereins – Teil 1

    Von Rudi Czech†, ergänzt aus Artikeln, erschienen im Weilburger Tageblatt und den Weilmünsterer Nachrichten.
    Redigiert von Heribert Domes 2022

    Wer auch immer zum ersten Mal Gedanken an ein Schwimmbad im Marktflecken äußerte ist nicht überliefert, aber mit ziemlicher Sicherheit dürfte sich diese Idee entwickelt haben, als der Turnverein Weilmünster 03 und die Gesangvereine „Uhland“ und „Echo“ unter großer Beteiligung der nahezu gesamten Bevölkerung des Marktfleckens im Freilichttheater am Hohenstein den „Schinderhannes“ und den „Andreas Hofer“ mit außerordentlichem Erfolg und landesweitem Zuspruch aufführten.

    Die Eisenbahn karrte Tausende von Besuchern, trotz grassierender Weltwirtschaftskriese am Anfang der 1930er Jahre in den Steinbuch von Weilmünster, um den Streichen und Spielen des räuberischen „Volkshelden“ zuzusehen, dem Märchen „Raub bei den Reichen zur Rettung der Armen“ zu lauschen. Diese vielen Zuschauer füllten bei 50 Pfennig Eintrittsgeld nicht nur die Kassen der Veranstalter, sondern machten auch Weilmünster weiter und breiter bekannt als bisher und so lag der Gedanke nahe, den Marktflecken zum Erholungsort schlechthin, also zum „Tourismus-Highlight“ zu entwickeln, wozu ein Schwimmbad erheblich beitragen könnte.

    Im Protokollbuch des Verschönerungsvereins taucht am 03.10.1932 der Eintrag auf, „Vorarbeiten für die Errichtung eines Schwimm- und Volksbades“, sowie die Bitte des Arztes Dr. Auler, weitere Ruhebänke aufzustellen und dass der Verein Sorge tragen möge, zur Verbesserung des Ortsbildes die vielen alten Fachwerkhäuser freizulegen und nicht einfach mit Putz zu überdecken. Darüber hinaus wird, um die neue Weltoffenheit des Fleckens zu beweisen, durch den Postbeamten Cäsar, im Namen des Vereins bei der Oberpostdirektion der Antrag gestellt, z. B. einen Bahnhofsbriefkasten anzubringen und auch sonntags die Kastenleerung nicht mehr durch das Postamt Weilburg, sondern von dem inzwischen weitbekanntem Weilmünsterer Beamten vornehmen zu lassen. Ein Erfolg dieser Bitte wird nicht protokolliert.

    Es soll aber mitgeteilt werden, wer sich nun intensiv und eifrig um die Schwimmbaderrichtung zu kümmern hatte, nämlich der 1. Vorsitzende Schmidt, der 2. Vorsitzende Hermann Kohl, die Herren R. Loew, Cäsar, Priester, Pletz, Müller, Erbe, Wagner und Nies, denn noch immer ist unklar, wo dieses projektierte Volksbad eigentlich seinen Platz finden soll.
    Eine Anfrage bei der Gemeinde, wie sie zu dieser Angelegenheit stünde, mündet in der Aussage, dass „der Verein“ keine große Hilfe zu erwarten habe, aber ein passendes Grundstück bei der Brösermühle zur Verfügung gestellt werden könne, für den Erwerb weiteren Geländes aber der Verein selbst zu sorgen habe.
    Bürgermeister Müller (SPD 1926-33) wird beauftragt, mit dem Besitzer des angrenzenden Grundstücks, dem Landwirt Fritz Metzler, zu sprechen, und so kommt ein recht merkwürdiger Handel zustande. Der gute Fritz verkauft seine Wiese mit Baumbestand an den Gastwirt und Metzger Hermann Eppstein zum Preis von 500 RM für die Liegenschaft, zuzüglich 250 RM für die ertragreichen Obstbäume.

    So ganz selbstlos ist diese Transaktion natürlich nicht, denn der Hermann Eppstein erwirbt damit das Recht, im Schwimmbad das evtl. in den Wintermonaten anfallende Eis zu brechen und zu ernten, für einen Betrieb seiner Art eine absolute Notwendigkeit, um Bier, Fleischwurst und Koteletts frisch zu halten.
    Der Gesundheitsbewahrer des Fleckens, Landarzt Dr. Auler, macht ordentlich Dampf und spendiert schon mal 1.500 RM als Startgeld, sicherlich in der Hoffnung, dass sich da weitere Geburtshelfer finden würden.

    Beflügelt durch die 1933 geänderte politische Konstellation wird das Arbeitsamt angeschrieben, das allerdings mitteilt, für Schwimmbäder oder ähnliche Träume stehe kein Geld zur Verfügung, und auch der ortsansässige Arbeitsdienst hält andere Arbeitseinsätze für wichtiger. Trotzdem stellt der Verschönerungsverein seine Habenseite auf und registriert das von Dr. Auler 1.500 RM, vom Turnverein 500 RM und von der Gemeinde 250 RM zu Buche stehen und die fehlenden 750 RM durch Spenden der Mitglieder aufgebracht werden könnten. Das hört sich gut an, und der Auftrag wird ausgeschrieben. Der Bauunternehmer Franz Jung erhält den Zuschlag, für 4.091,47 RM das Freibad zu errichten.

    Mit „Hack und Schipp“ wird das große Loch gegraben und sogar, wahrscheinlich weil es so gut flutschte, um 5 Meter auf 40 m verlängert. Für den Ausbau verwendete man Eichenholz, dass von der Gemeinde zu moderaten Preisen erworben und fachmännisch zu Wänden, Böden, Treppen und Trenngittern verbaut wurde. Natürlich soll auch ein ansehnliches Badehaus entstehen, eine Klosettanlage nach einem Plan von Franz Dienst, Blumenhof, sowie eine solide Einfriedung war vorgesehen, die allerdings nicht mehr bis zur Einweihung am 03. Juni 1934 fertiggestellt werden konnte. Trotzdem sieht alles schon recht ordentlich aus und so werden die Eintrittspreise festgelegt und ein Bademeister gesucht. Das Auge des Vereins fällt auf den Schuhmacher Adolf Janz, dem 40 Mark Entlohnung zugesagt werden, der aber in dieser kurzen Zeit nicht mehr schwimmen lernen kann und deshalb auf diesen Posten verzichten muss. Dessen ungeachtet wird eifrig auf die Fertigstellung hingearbeitet, Freibadnutzungsregeln formuliert, eine attraktive Fahne soll angeschafft werden – nicht verwunderlich in dieser fahnenverrückten Zeit, die aufgezogen die Öffnung des Bades anzeigt, falls eingezogen der Zugang verboten ist und bei Nichtbeachtung dieser Fahnenwinke eine Bestrafung droht. Zur Kontrolle dieser Maßnahmen sind jeweils zwei Vereinsmitglieder verpflichtet, die nach alphabetischer Reihenfolge anzutreten haben.

    Am 03. Juni 1934 ist es soweit; das Volksbad wird, obwohl es noch nicht ganz fertig ist, feierlich mit einem tollen Programm eingeweiht. Etliche hundert Schaulustige nehmen daran teil, genießen den Eröffnungsgesang des Chores „Uhland“, lauschen den gehaltvollen Ansprachen von Bürgermeister Färber und von Hauptlehrer Hein; sodann stürzen sich endlich die Wettschwimmer in das kühle, dunkle Nass, begeistert umjubelt von den Zuschauern, erschrocken beäugt von den zahlreichen Kaulquappen, die sich bislang im „gesunden“ Bleidenbachwasser wohlgefühlt haben. Begleitet werden die sportlichen Leistungen von den verschiedenen Volksbelustigungen. Eine 8 Mann starke Musikkapelle spielte im großen Zelt, welches am Rande des Beckens errichtet wurde, zum Tanz auf und noch lange klangen die „Proste“ und das Hurrageschrei durch das nun illustre Bleidenbachtal.

     Schwimm Volksbad Weilmuenster Teil1 1934  

    Links:
    Das am 03. Juni 1934
    in Betrieb genommene
    Schwimm- und Volksbad
    im Bleidenbachtal
    neben der Brösermühle.

    Foto: Archiv Heimatverein Weilmünster

    Der Vorstand des Verschönerungsvereins zieht jetzt eine erste Bilanz und stellt fest, dass der Schwimmbadbau 9.524,99 RM gekostet hat, allerdings sein Schuldenberg auf 6.075,59 RM angewachsen ist, der durch die Erhöhung des Eintrittspreises von 0,75 RM auf eine Reichsmark und eine Sammlung bei den Mitgliedern abgetragen werden soll, was allerdings zu keinem Zeitpunkt gelingt. Das Schwimm- und Volksbad ist durchaus ein schöner, attraktiver und beliebter Fleck, wo neben den sportlichen und gesundheitlichen Möglichkeiten der gesellschaftliche Umgang nicht vergessen werden sollte. Die erregende Atmosphäre bei herrlichem Sonnenschein hat sicherlich oft dazu beigetragen, dass sich Männlein und Weiblein verschämt oder ungezwungen näher kommen konnten, was wohl öfters nicht ohne Folgen blieb.
    Natürlich wurde auch die Einrichtung des Bades ständig verbessert und erweitert, eine „Solardusche“ (ein schwarz gestrichenes Gefäß mit Wasser gefüllt, von der Sonne erwärmt und auf ein Holzgestell montiert) war die Brause, ein Sprungbrett dient als hervorragende Bühne für sportliche Mutproben, ja sogar eine Rutsche wurde gebaut, zunächst mit Linoleum, später mit Blech belegt, war sie ein Gipfel der Lustbarkeiten.
    Das Schwimmbad hat unbeschadet die Kriegszeit überstanden, blieb bis zum heutigen Tage ein sommerlicher Treffpunkt. Allerdings war der Verkehrs- und Verschönerungsverein nicht mehr in der Lage es zu betreiben und zu unterhalten, und so übernahm notgedrungen die Gemeinde Weilmünster ab 1955 die Regie. Der Verein darf aber ungeschmälert stolz sein, so eine schöne Anlage trotz vieler Schwierigkeiten geschaffen zu haben.

    Fortsetzung im nächsten Tab.

    >> Zum Freibad Weilmünster

  • Das Schwimm- und Volksbad Weilmünster

    Eine Perle in der Geschichte des Verkehrs- und Verschönerungsvereins – Teil 2

    Von Rudi Czech†, ergänzt aus Artikeln, erschienen im Weilburger Tageblatt und den Weilmünsterer Nachrichten.
    Redigiert von Heribert Domes 2022

    Anfang der 1960er Jahre sanierte die Gemeinde Weilmünster das Schwimmbad im Bleidenbachtal in zwei Bauabschnitten. Im ersten Bauabschnitt wurde das Schwimmbecken völlig überholt, es entstand ein ansehnliches Betonbecken, so dass auch zukünftig Wettkämpfe hier ausgetragen werden konnten, und die kleinen Badegäste erhielten ein rundes Planschbecken. Die Gemeinde kaufte die angrenzenden Wiesen auf und richtete sie als Liegewiesen ein. Die Investitionssumme betrug damals 100.000 DM.

    Im Jahr 1963 stand der zweite Bauabschnitt an, der zunächst die Modernisierungsmaßnahmen abschließen sollte. Das Bad erhielt neue Umkleideräume, Duschen, sanitäre Anlagen sowie Geräteräume. Diese Bauarbeiten wurden mitten im Sommer durchgeführt, während viele badefreudige Besucher trotz der noch laufenden Arbeiten das Bad nutzen konnten. Erst ein Jahr später, während der Badesaison 1964 konnten die Besucher sämtliche Einrichtungen nutzen. Der vom Kreisbauamt ausgearbeitete Umbauplan berücksichtigte weitgehend die Absicht der Gemeinde Weilmünster, mit möglichst geringem Aufwand einen möglichst hohen Nutzen zu erreichen.

    Für uns klingt es heute sonderbar, dass nach Abschluss der Umbauarbeiten damals nur eine Person benötigt wurde, die den Eintrittskartenverkauf und die Beaufsichtigung der im Wasser und auf den Liegewiesen verweilenden Badegäste ausgeführt hat. Wie hat sich doch die Zeit in wenigen Jahren verändert.

    Als letzte Aufgabe blieb der Gemeinde der Einbau einer Umwälzanlage, wie sie damals schon für alle Schwimmbäder gefordert wurde. Die dafür notwendige Investition von 50.000 DM stand leider nicht zur Verfügung, da andere dringende Aufgaben im Flecken zu bewältigen waren.Das Bad wurde zu dieser Zeitweiterhin aus dem frischen Wasser des Bleidenbaches gespeist. Eine Verseuchung durch Bakterien war nicht zu befürchtet, da man vorsorglich das Badewasser regelmäßig mit Chlor desinfizierte.

    Der Leser stelle sich vor, in den 1960er Jahren gab es in der Gemeinde Weilmünster sowie in den umliegenden Orten noch keine Kläranlagen. Die Abwässer der einzelnen Häuser wurde damals in den jeweils zu den Gebäuden gehörenden zwei- bis vierkammerigen Dekantierbecken (Buddelkaut) durch Sedimentation vorgeklärt und der Überlauf floss in die jeweiligen Bachgewässer. Jährlich einmal kam, von der Gemeinde beauftragt, die Fa. Bördner aus Laubuseschbach, um auf Kosten der Hauseigentümer das Sediment aus diesen im Boden der Hof- oder Vorgartenflächen befindlichen Betonbehälter zu entleeren.

     Schwimm Volksbad Weilmuenster Teil2 1967  

    Das Freibad im Bleidenbachtal nach der Sanierung.
    Foto aus dem Jahr 1967.

    Foto: Archiv Heimatverein Weilmünster

    Die Natur des Bleidenbaches übernahm die Aufgabe, die möglicherweise noch vorhandenen Verunreinigungen so aufzubereiten, dass das Schwimmbecken mit einem nutzbaren Badewasser befüllt werden konnte. Wir erinnern uns an das damalige Badewasser, eine dunkle, olivgrüne Flüssigkeit, die notwendigerweise während der Badesaison etwa alle zwei bis drei Wochen abgelassen werden musste damit der Bleidenbach erneut sein frisches Wasser zur Neubefüllung des Schwimmbeckens spenden konnte, was etwa 4 Tage Badepause bedeutete. Wir alle haben dieses Bad mit Freuden benutzt, es hat uns nicht geschadet.

    Die Bademeister des Freibades Weilmünster

    Von links
    Heinz Bürger, Jahrgang 1928, von 1971 – 1973
    Rudi Czech, Jahrgang 1926, von 1976 - 1989
    Adolf Janz, Jahrgang 1899,
    1934 als Bademeister vorgesehen, er war leider Nichtschwimmer
    Willi Weil, Jahrgang 1905, von 1956 – 1970

    Foto: Archiv, Heimatverein Weilmünster

     Schwimm Volksbad Weilmuenster Teil2 Bademeister

    Während der schönen Sommertage übernahmen die Sonnenstrahlen die Aufgabe das Badewasser auf eine erfrischende Temperatur zu erwärmen, was aber nur im begrenzten Umfang gelang. Zu dieser Zeit gab es selten Sommertage die das Thermometer auf über 30 Grad steigen ließ. Dieser Umstand war ein Segen für die Wasserqualität des Freibades, da bei den recht niedrigen Temperauren die Bakterienvermehrung im Badewasser recht langsam voranschritt.

    Einige Jahre später baute die Gemeinde Weilmünster eine moderne Umwälzanlage zur Badewasserreinigung ein und die kostenlosen Wasserlieferungen des Bleidenbaches waren Vergangenheit. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen, ein gasklares, durch den wolkenlosen Himmel blau erscheinendes Badewasser erfreute die Besucher. Da das Wasser nun kontinuierlich gereinigt werden konnte gab es auch keine Unterbrechung der Badesaison mehr, und die Wassertemperaturen stiegen während der Saison kontinuierlich auf für die Badegäste angenehmen Temperaturen an.

    1999 wird das Schwimmbad Weilmünster komplett saniert

    Bereits Ende der 1980er Jahre besteht für das Freibad im Bleidenbachtal ein erheblicher Sanierungsbedarf, der in dieser Zeit jährlich spürbar zugenommen hat. Nach 35 Jahren war eine umfassende Sanierung unvermeidbar um das Bad für die Zukunft weiter zu erhalten. Eine gebildete Schwimmbadkommission fand ein Umbau- und Sanierungskonzept, dass den Aspekt der Wirtschaftlichkeit und der sozialen Funktion des Bades als Treffpunkt für die heimische Bevölkerung sowie der finanziellen Leistungsfähigkeit der Gemeinde gerecht wurde.

    Erfreulich war, dass die vorgelegten Planungen der Sanierungsmaßnahme von allen politischen Gremien und Fraktionen sowie dem Ortsbeirat uneingeschränkt mitgetragen wurden. Da das bisherige Beton-Schwimmbecken instabil geworden war, mussten 32 Bohrpfähle von je etwa 14 m Länge in den Boden bis auf den tragfähigen Felsuntergrund getrieben werden um zukünftig Setzungen des Beckens zu vermeiden. Es entstand eine behindertengerechte Badeanlage ohne Stufen zwischen dem Eingangsbereich und dem Badebecken.

    Das 40 m Becken wird durch eine als Liegedeck nutzbare Insel in Nichtschwimmer und Schwimmerbecken mit Durchschwimmkanal funktionell geteilt. Die Wasserfläche des neuen Edelstahlbeckens beträgt heute ca. 500 m². In dieser Wasserfläche sind Massagedüsen, 2 Wasserspeier als Nackenmassage und ein Bodenblubber als Attraktion integriert. Zwischen Schwimmbecken und Böschung des ehemaligen Bahndammes wurde eine 35 m lange Riesenrutsche mit separatem Ladebecken als Hangrutsche installiert, die teilweise als erdüberdeckter Tunnel ausgeführt ist. Das Kinderbecken mit einer Wasserfläche von ca. 75 m² erhielt drei höhenversetzte Becken, wovon zwei mit einer Wasserrutsche verbunden sind.

    Durch diese Sanierungsmaßnahmen erhielt die Gemeinde Weilmünster mit ihren umliegenden Ortschaften ein attraktives Freibad in dem sich Jung und Alt in den Sommermonaten erholen kann. Das Schwimmbecken erhielt unter geringer Veränderung der äußeren Form eine Edelstahlauskleidung und eine neue kostensparende Wassertechnik. Der Einsatz modernster Solartechnologie ist heute Beitrag zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit des Freibades

    >> Zum Freibad Weilmünster

  • Die Geschichte der Post im Weiltal

    Frei nach Alfred Hofmann, Weilburg | Redigiert von Heribert Domes, 2023

    Teil 1 von 5 - Landgraf Philipp II. von Hessen-Rheinfels richtet 1570 eine Kurier- und Reisepost ein

    Im Jahr 1570 richtete Landgraf Philipp II., der Jüngere von Hessen-Rheinfels, erster und einziger Landgraf von Hessen Rheinfels (1541 – 1580) zwischen seiner Residenzstadt St. Goar und der seines ältesten Bruders Wilhelm IV. (Wilhelm der Weise von 1532 bis 1592 Landgraf zu Hessen Kassel) über die Hessenstraße eine Kurier- und Reisepost ein. Sie führte von St. Goar über Nastätten, Münster, Weilmünster, Wetzlar, Marburg nach Kassel.

    Die Postkurierstationen waren zu Anfang des 18. Jahrhundert mit Genehmigung der Landesherren auf der Hessenstraße in Kettenbach, Münster, Weilmünster und Frohnhausen ansässig. Die damalige Kurierstation in Weilmünster befand sich im uns noch bekannten alten „Posthaus“ in der Hauptstraße, dass bis zu seinem Abriss zum Jahreswechsel 1990/91 diesen Namen behielt. An dieser Stelle entstand das 1994 eingeweihte Bürgerhaus Weilmünster. Alle damaligen Haltestellen der „Kasselischen Kurierpost“, sowohl der Reit-, als auch der Fahrpost, erhielten um 1700 die Bezeichnung „Posthaus“.
    Anno 1722 wurde auch die Post über die Hessenstraße kasselisch. Da Landgraf Friedrich von Hessen von 1720 bis 1751 König von Schweden war, nannte man die „Kasselische Post“ in dieser Zeit auch „Königliche Schwedenpost“.

    Etwa ab 1692 versuchten die Fürsten von Thurn und Taxis als General-Postmeister der „Kaiserlichen Reichspost“ die Postroute auf der Hessenstraße zu führen. Doch die Landgrafen von Hessen lehnten sich gegen das angemaßte Privilegium der Fürsten von Thurn und Taxis auf und verwandelten 1711 die Rheinfelsische-Post in eine „Kasselische-Kurierpost“ um.
    Im Jahr 1719 richtete die kaiserliche Reichspost zwischen der fürstlichen Residenz zu Kassel und der Residenz der hessischen Linie Rothenburg zu Rheinfels bei St. Goar eine reitende Post ein. Diese Postroute führte über Marburg, Frohnhausen, Wetzlar, Weilmünster, Münster, Idstein und Nastätten zur Festung Rheinfels und wurde von dem hessischen Oberpostamt zu Kassel unterhalten.
    Aber erst im Jahr 1723 gestattete die herzoglich-nassauische Regierung auf Vorstellung der Reichsstadt Wetzlar, der „Kaiserlichen Post“ die Errichtung einer Posthalterei in Weilmünster. Hierdurch sollte es möglich werden, auf der Mitte der Strecke zwischen Wetzlar und Selters die Pferde zu wechseln. Besonders zur Sommerzeit lag damals eine starke Nachfrage nach Reiseplätzen zu den Bädern und Brunnen in Wiesbaden, Schwalbach und Selters vor.

    Durch das Verbot, die hessisch-schwedische Poststelle in Wetzlar weiter zu betreiben, konnte das fürstliche Konkurrenzunternehmen von Thurn und Taxis in Wetzlar die erste Poststelle der „Kaiserlichen Post“ des alten „Römischen Reiches Deutscher Nation“ gründen. Von der Landesregierung in Weilburg erhielt in dieser Zeit der Weilmünsterer Amtmann Diesterweg den Auftrag, einen Bürger für eine kaiserliche Posthalterei in Weilmünster ausfindig zu machen. Er sollte vermögend und willens sein eine derartige Aufgabe zu übernehmen.

    Gastwirt wird erster Posthalter des kaiserlichen Postnetzes von Thurn und Taxis

    Nach 6 Wochen konnte Amtmann Diesterweg seinem Herrn berichten, dass der Gastwirt „Zum weißen Roß“ Johann Nicolaus „von Hausen“ (08.03.1692 – 13.11.1766), ansässig in der Weißeroßgasse zu Weilmünster bereit wäre, die kaiserliche Posthalterei zu übernehmen. Er war der Sohn des damaligen Posthausbesitzers Jost Thomas „von Hausen“ (1654 – 23.03.1722), Posthalter der kasselisch-schwedischen Post in Weilmünster.

    Johann Nicolaus „von Hausen“ (Bierbrauer, Küfermeister, Gerichtsmann und Gastwirt) war wohlhabend. Ihm wurde 1723 die Posthalterei Weilmünster des kaiserlichen Postnetzes in Form der ersten Bestallungsurkunde übertragen. Dadurch war Weilmünster schon sehr früh an das kaiserliche Postnetz angeschlossen. Die „Landgraf-Hessische Post“ ging mit diesem Vorgang in die kaiserliche Post der Thurn und Taxis über und die Posthalterei wurde von der Weißeroßgasse in das alte Posthaus verlegt. Die Familie „von Hausen“ war damals Besitzer der Gastwirtschaft „Zum weißen Roß“ sowie des Posthauses und einer Bierbrauerei.

    In einer zweiten Bestallungsurkunde vom 26. Oktober 1740 (im fürstlich Thurn und Taxischem Zentralarchiv in Regensburg aufbewahrt) ist Johann Nicolaus „von Hausen“ erneut als Posthalter bestätigt worden. Bis zum Jahre 1749 hat Nicolaus „von Hausen“ seinen Posthalterdienst versehen. Am 01.01.1750 wird Georg Christian, ältester Sohn des Nicolaus „von Hausen“ vom fürstlich-hessischen Oberpostamt Kassel mit einer Instruktions- und Bestallungsurkunde zum Postverwalter Weilmünster ernannt. Sein jüngerer Bruder Jost Ludwig Vonhausen hatte von 1763 bis 1806 die Posthalterstelle inne. Er war der letzte Posthalter der kaiserlichen Post von Thurn und Taxis in Weilmünster. Der Name „von Hausen“ wird von den Brüdern Georg Christian und Jost Ludwig erstmalig in der abgeänderten Form „Vonhausen“ geschrieben.

    Das alte Gasthausgebäude zum Weißen Roß bestand bis 1838. In diesem Jahr riss man es ab und es entstand das heute noch vorhandene Anwesen Weißeroßgasse Nr. 5, derzeit im Besitz der Familie Herbert Köster. Das Gasthaus zum Weißen Roß bestand in dem genannten Haus bis zu Anfang des 20. Jahrhunderts

    In der ersten Bestallungsurkunde wurde Nicolaus „von Hausen“ im Punkt 7 des Bestallungsbriefes unter anderem folgende Maßregel aufgetragen:
    … von solchen seines Dienstes wegen auf den ordentlichen Postritt wöchentlich zweymal nemlich Sonnabends und Dienstags in der Nacht die von Rheinfels bey ihm angelangte Post also bald mittels eines treuen Postillons und tüchtigen Pferde aufs schleunigste durch Wetzlar nach Grabenheim, auch des folgenden Tages von dannen die Casselische Post wiederum mit zurück nach Weilmünster zu führen, sodann Mittwochs Nachts das Casselische Felleysen allemal nach Münster an der langen Hecke zu bringen. Außerdem wird ihm aufgetragen, die auf diesem Cours anfallende Stafetten allemahl bis zur nächsten Station ordnungsgemäß zu befördern“ und auch, die Extra-Post, welche an seinem Ort begehret würden nach Postgebrauch zu überführen, alles getreulich und sonder Gefahren.…
    Infolge der verkehrsgünstigen Lage an der Hessenstraße und in der Nähe der Kreuzung der Hessenstraße mit der Frankfurter Straße sowie gefördert durch die blühende Eisenindustrie im Weiltal, hatte sich Weilmünster nach dem 30-jährigen Krieg günstig entwickelt.

    Zweimal wöchentliche Post

    Am 1. August 1790 berichtet der Gerichtsbürgermeister Dienst dem hochfürstlichen Amt in Weilburg auf Anfrage:
    „wegen der Post wie sie hier ankommt und abgeht“ wie folgt: „So kommt die Post die Woche zweimal hier von St. Goar an, als die Sonntagnacht um 1 oder 2 Uhr, geht sogleich von hier ab nach dem Hessenland. Die Montagnacht kommt sie wieder zurück – Nacht in 2 oder 3 Uhr – geht gleich von hier ab nach St. Goar. Die Mittwochnacht kommt sie wieder von St. Goar um 2 Uhr hier an, geht gleich von hier nach dem Hessenland ab, den Donnerstagnacht kommt sie wieder aus dem Hessenland um 2 bis 3 Uhr wieder zurück und geht gleich von hier nach St. Goar.
    Am 12. Juli 1806 wird unter Federführung des französischen Kaisers Napoleon I. in Paris die Rheinbundakte unterzeichnet. Damit war der Rheinbund gegründet. 16 süd- und westdeutsche Fürsten verbündeten sich mit Frankreich und erkannten die französische Oberherrschaft an. Mit der Unterzeichnung der Rheinbundakte endete das Heilige Römische Reich Deutscher Nation. Am 6. August 1806 legte Kaiser Franz II. die Krone des Heiligen Römischen Reiches nieder und somit verliert Weilmünster nach 80 Jahren die Posthalterei und wird nun von der abgelegenen Posthalterei des herzoglichen Hauses Nassau-Weilburg versorgt. Die Rheinbundakte sah die Fortführung des bisherigen Postwesens vor, jedoch beanspruchten die einzelnen Staaten das Postregal für sich. Nachdem festgestellt worden war, dass in der dem Fürsten von Thurn und Taxis übertragenen Postverwaltung sogenannte „geheime Logen“ bestanden, die Briefe öffneten, Abschriften erstellten und an den österreichischen Hof u. a. verkauften, musste der Fürst von Thurn und Taxis die Post abgeben. Thurn und Taxis schloss daraufhin mit einigen deutschen Staaten Einzelverträge über die Ausübung der Posthoheit. Von einigen Staaten wie Bayern und Baden wurden nach Übernahme des Postwesens durch den Staat hohe und langjährige Entschädigungszahlungen an Thurn und Taxis geleistet.

     In der ersten Bestallungsurkunde wird Johann Nicolaus Vonhausen zum kaiserlichen Posthalter ernannt. (Kopie der Urkunde aus dem Fürstlich Thurn und Taxis’schen Zentralarchiv in Regensburg) Archiv, Heimatverein Weilmünster e.V.

    In der ersten Bestallungsurkunde wird Johann Nicolaus Vonhausen zum kaiserlichen Posthalter ernannt.
    (Kopie der Urkunde aus dem Fürstlich Thurn und Taxis’schen Zentralarchiv in Regensburg)
    Archiv, Heimatverein Weilmünster e.V.

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  • Die Geschichte der Post im Weiltal

    Frei nach Alfred Hofmann, Weilburg | Redigiert von Heribert Domes, 2023

    Teil 2 von 5 – Die Weilmünsterer Bittschrift von 1848

    Durch den Verlust der Poststation stellen sich im Wirtschaftsleben Weilmünsters im Laufe der Zeit erhebliche Nachteile gegenüber anderen Gemeinden ein, die das Glück hatten, durch ihre Lage von der Post gut versorgt zu werden. Nach einer 42jährigen Zeit ohne eigene Poststation entschlossen sich die Weilmünsterer Bürger im Jahr 1848 bei der herzoglich-nassauischen Landesregierung vorstellig zu werden und um Abhilfe zu bitten.

    Weilmünsterer Bittschrift

    In ihrer drei Seiten langen Bittschrift vom 12. Dezember 1848 schreibt Oberschultheiß Dienst unter anderem:
    … Der Flecken Weilmünster, fast 1500 Seelen stark, früher Sitz eines Amtes, dermalen derjenige der Lokalverwaltung, zweier Geistlicher, eines Oberförsters, eines Arztes, einer Apotheke, usw. ist 2½ Stunden von dem Amtssitz entfernt, wo zugleich die respektive Chefs der übrigen Lokalbeamten wohnen; Audenschmidt, das Dörfchen und eines der größten und auf die ganze hiesige Gegend infulierendes Hüttenwerk ist noch eine halbe, das Pfarrdorf Langenbach sogar eine ganze Stunde weiter; die übrigen Orte: Rohnstadt, Aulenhausen, Lützendorf, Ernsthausen sind alle 2 bis 3½ Stunden von Weilburg entfernt. Die Gegend ist wegen ihres Bergbaus sowohl auf Eisenstein, als Braunstein bekannt, wichtig. Diese Industriezweige und das genannte Hüttenwerk sind, man kann sagen, die Stützpunkte für die zahlreiche, auf Handverdienst hingewiesene ärmere Bevölkerung ...

    Vorschläge für den Postverkehr

    … Die übrigen Briefe, nach und von der Post, werden wöchentlich blos zweimal durch den Amtsboten oder sonst durch extra zu zahlende und dabei nicht immer die notwendige Sicherheit bietende Privatboten hin und hergebracht. Allen diesen und noch anderen Unzuträglichkeiten, wohin die hohe Teuerung von Briefen und Zeitungen zu zählen ist, könnte auf eine ganz einfache Weise durch Errichtung einer Postexpedition zu Weilmünster abgeholfen werden. Die Sache wäre etwa auf folgende Weise einzurichten. Morgens ca. 5 bis 6 Uhr täglich kommt der von Weilburg über Usingen nach Frankfurt gehende Eilwagen an dem sogenannten Einhaus ½ Stunde von Weilmünster vorbei und nachts etwa 11 bis 12 Uhr geht er daher zurück.
    Falls man sich nicht von Seiten des hochlöblichen Oberpostamts zu Frankfurt einen eigenen Expeditor zu Weilmünster anstellen wollte, würde sich daselbst sehr leicht ein gehörig qualifizierter Mann finden, der die Expedition entweder vertragsmäßig oder gegen die gewöhnlichen Emolumente übernehme, so dass wohl ohne Opfer, dagegen zum Vorteil für die Post, dem dringend geführten Bedürfnisse könnte abgeholfen werden. Das Bedürfnis würde noch gesteigert werden, wenn, wie man dahier allgemein hofft, bei der demnächstigen politischen Umgestaltung der Justiz- und Verwaltungsbezirke Weilmünster, der Sitz eines Friedensgerichtes werden wird, doch dürfte wohl zu erwarten stehen, dass die Gewährung der hier gehorsamst vorgetragenen Bitte nicht bis dahin verzögert werde…
    …In der Hoffnung, dass die Hohe Landesregierung unser gehorsamstes Gesuch beim Hohem Staatsministerium vorlegen und unterstützen wolle, verharren wir einer Hohen Landesregierung gehorsamste Supplikanten.“
    Mitunterzeichnet wurde diese Bittschrift von den Schultheißen Weber zu Altenkirchen, Löhr zu Möttau, Erbe zu Aulenhausen, Rosenkranz zu Ernsthausen, Hardt zu Langenbach, Stahl zu Audenschmiede und Ernst zu Lützendorf; von dem Gemeinderechner Gath und Pfarrer Zickendraht zu Altenkirchen, Orgelbauer Raßmann und Lehrer Kretzer zu Möttau, Pfarrer Snell zu Langenbach, Hüttenbesitzer Friedrich Buderus, zu Audenschmiede und schließlich von dem Weilmünsterer Bürgern Pfarrer Göllner und Caplan Wagner, Oberförster Schrambartz, Apotheker Schumann und Medizinasisstent Weber, Bergverwalter Nölich, Hüttenverwalter und Besitzer der Schneidmühle J. Baertsch, dem Grubenbesitzer und Kirchenrechner C. Vonhausen, dem Gasthalter und Holzhändler Karl Nickel und schließlich den Kaufleuten R.V. Lud. Pulch, Peter Kohl, Georg Brühl, Fr. Vonhausen, Ptr, Vonhausen, Carl Jessel, den Färbern Friedrich Schmidt und D. Weil sowie dem Tuchmacher Peter Schäfer.

    Bedingungen für eine Postexpedition

    Nachdem der Hütteninspektor Baertsch sich erboten hatte, die Postexpedition zu übernehmen und am 2. Juli 1849 um Abgabe der Bedingungen für die Übernahme beim Postverweiser Rücker in Weilburg bittet, wird ihm schon am darauffolgenden Tag eröffnet:
    „Die Bedingungen sind, dass dem Übernehmer der Collektion – von einer Expedition ist noch keine Rede – die Bestellgebühren für Briefe und Zeitungen – im Betrag von ca. 150 Gulden – überlassen werden sollen, dieser dagegen den Briefträger, der zugleich die anliegenden Orte zu begehen hätte und die Boten, die die Pakete entweder am Einhaus oder in Usingen und Weilburg abzuholen haben, zu bezahlen hat. Ob die Pakete am Einhaus im Empfang genommen werden können, ist noch nicht bestimmt. Wollen sie unter diesen Bedingungen darauf eingehen, so erbitte um baldmöglichste Antwort.“
    Drei Tage später erhält Baertsch auf seine Bitte um weitere, ergänzende Angaben die Mitteilung:
    „Ob die Einrichtung getroffen wird, dass Boten aufs Einhaus gehen um die Taschen von Weilburg und Usingen im Empfang zu nehmen oder Boten nach Weilburg und Usingen gehen sollen, darüber ist noch nichts bestimmt. Der Ihnen angebotene ungefähre Betrag von 150 Gulden betrifft den Briefkreuzer und Gebühren für die Zeitungen. Der von Ihnen zu unterhaltende Briefträger hätte die Orte Altenkirchen, Audenschmiede, Aulenhausen, Dietenhausen, Ernsthausen, Langenbach, Lützendorf, Möttau, Rohnstadt und Weilmünster zu begehen. Sie wollen sich nun erklären, ob Sie gegen Überlassung der erwähnten Bestellgebühren die Collektion übernehmen und die bezeichneten Boten und Briefträger unterhalten wollen.
    Bürger von Weilmünster sind ungeduldig – Gehorsamste Vorlage beim Ministerium
    Nachdem ein Jahr vergangen ist, ohne dass sich in der Sache etwas Entscheidendes getan hat, veranlassen die ungeduldig gewordenen Weilmünsterer Bürger den Gemeinderat, bei dem Herzoglichen Kreisamt in Hadamar vorstellig zu werden, der daraufhin am 19. November 1849 schreibt:
    … Es ist fast ein volles Jahr verflossen, als die Staatsdiener, Geistlichen, Ratsvorstände und Gewerbetreibenden zu Weilmünster, Audenschmiede und der Umgegend in einer Petition in rubrizierter Hinsicht beim Hohem Staatsministerium zu Wiesbaden gehorsamste Vorschläge machten, und noch ist nicht ein günstiger Entscheid ergangen und ein monatliches Hoffen blieb unerfüllt ...
    … Als einmal verlautet, dass der Herzogliche Postverwalter Rücker zu Weilburg in Weilmünster sollte gewesen sein – man weiß aber nicht, ob er die Verhältnisse hätte prüfen sollen oder was sonst der etwa officielle Grund seiner Anwesenheit mag gewesen sein, da darüber zur Publicität nichts gelangt ist – so hat sich der dahier wohnende Hüttenverwalter Baertsch an die Postverwaltung gewendet, um sich um die Expedition zu bewerben…

    Briefträgerkreuzer – aber unsichere Boten

    … eine Briefkollektionsstelle genügt den hiesigen Bedürfnissen nicht, wegen der Stärke und Ausdehnung der Correspondenz und des Frankierens der Briefe. Eine Expedition würde ferner für die hiesige Gegend den Vorteil haben, dass Briefe und Zeitungen fernerhin minder teuer zu stehen kämen. Wir müssen in Weilburg den Briefträgerkreuzer bezahlen und uns dennoch die Briefe für unser Geld durch leider allzu oft unsichere Boten abholen lassen und doch ist die Post ja für das Publikum da! Sie sollten im Dienste ihre Obliegenheiten erfüllen, d.h. unentgeltlich wenigstens die Briefe so lange aufheben, bis sie abgeholt werden...

    Vorschlag für den Posttransport

    … Der Postillion müsste von Weilburg bis ans Einhaus die Weilmünsterer Tasche umhängen, dort abgeben, die andere empfangen und wieder bis Usingen umhängen. In Usingen würde dieselbe abends aber in den Wagen eingeschlossen werden und so nicht minder sicher des nachts nach Weilburg kommen, als der Frankfurter Briefbeutel. Wenn wir bedenken, was abermals in letzter Zeit an anderen minder bedeutsamen Orten des Herzogtums in Leben geführt; wenn wir daran erinnern, wie der königlich preußische Minister v. d. Heidt sich neuerlich der Besorgung der Zeitungen nur angenommen wie hier aber nicht blos die Annehmlichkeit sondern das materielle Wohl der hiesigen Bevölkerung gebessert und gehoben werden soll, so hoffen wir das hochlöbliche Herzogliche Kreisamt zu Hadamar wird in Berücksichtigung der Gründe zu unserer gehorsamsten Bitte, die Sache in kräftige Hand nehmen und sie bei Hohem Staatsministerium geneigtest bevorworten.
    Im Namen der Gemeinde – Bürgermeiste Weil.“
    Der Gemeinderat: Peter Wagner, Philipp Kurt, Pt. Weil, Fr. Vonhausen, Heinrich Söhngen, Ludwig Epstein, Christian Werner und Mathias Vonhausen.

    Amtlich ablehnende Haltung

    Am 3. Februar 1850 endlich teilt der Herzogliche Oberpostmeister dem Herzoglichen Staatsministerium mit:
    „Dass seitens der Postadministration auf den Antrag nicht eingegangen werden kann, in dem der Postverkehr dieses Fleckens nach den angestellten zuverlässigen Ermittlungen keineswegs von solcher Bedeutung ist, als es von den dortigen Bewohnern geschildert wird und außerdem die von der Poststraße entfernte isolierte Lage dieses Ortes auf die Errichtung einer Briefsammlung, wie zu Obertiefenbach, welche die Bittsteller eigentlich im Auge gehabt zu haben scheinen, untunlich macht“.

    Lesen Sie den nächsten Teil unter "Geschichten aus dem Marktflecken Teil 3".

Tags: Verein, Kultur

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